Von (un)willigen Designern und Ihren Preisen
Es ist schon einzigartig, wenn wir als Medienschaffende uns nicht für unsere Preise rechtfertigen müssen. Was waren das noch für Zeiten, als die Computerwelt noch nicht so weit fortgeschritten war und Grafikdesign und Videoproduktion noch echtes Handwerk waren. Heute heißt es oft, der Medienschaffende sitzt am PC und macht „klick…klick…klick“ und fertig ist das Layout – und dafür wollen wir 80, 90 oder sogar 100 Euro pro Stunde?
Ganz klar, früher haben wir aus Bildern, Schriften und Elementen das Layout von Hand zusammengesetzt, was wir heute bequem am Computer erledigen können. Aber etwas hat sich nicht geändert – die Kreativität des Designers. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Broschüre zum Kundenmagneten wird, damit das Webdesign deine Kunden zum Bleiben und Weiterstöbern animiert oder der Film emotional und nachhaltig wirkt.
Dazu gehören nicht nur Kreativität, entsprechend erworbenes Fachwissen und die notwendige Hard- und Software, sondern auch jahrelange Berufserfahrung.
Oft wird vergessen, dass auch wir Medienschaffende ein Leben haben, welches wir finanzieren müssen. Denn unsere Arbeit machen wir nicht aus Freude an der Barmherzigkeit, sondern um in unserer Gesellschaft zu überleben und unsere Rente zu sichern.
Deswegen darf sich niemand unter Wert verkaufen. Woher aber nehmen wir Medienschaffende nun unsere Preise? Ein einfaches Beispiel verdeutlicht es sowohl Auftraggebern als auch Gleichgesinnten.
Ein Angestellter mit einem guten Einkommen verdient zwischen 30.000 und 40.000 Euro netto pro Jahr. Genau diesen Betrag streben auch wir Medienschaffende, nach Abzug aller Steuern, pro Jahr als Nettoverdienst an.
Wenn wir dazu die Arbeitszeit im Jahr mit 8 Stunden pro Tag berechnen, kommen wir nach Abzug von Feiertagen, Samstagen und Sonntagen, Urlaubstagen, Krankheitstagen sowie Schulungstagen auf rund 1.600 Arbeitsstunden. Allerdings können wir Selbständige nicht rund um die Uhr bezahlte Aufträge erledigen. Es kommen Dinge hinzu wie z.B. Buchhaltung, Angebote und Rechnungen schreiben, Eigenwerbung, unbezahlte Mehrarbeiten an Projekten, Aktualisierungen auf der eigenen Website, Seminare besuchen etc.
Hier fallen also ca. 35-45 % der Arbeitszeit an nicht berechenbarer Zeit an. Effektiv bleiben uns somit nur ca. 1.000 Stunden pro Jahr, in denen wirklich Geld verdient wird.
In dieser Zeit müssen aber nicht nur die 30.000 bis 40.000 Euro erwirtschaftet werden, die am Ende des Jahres als „Netto-Gehalt“ übrig bleiben sollen. Es müssen auch alle Personal- und Unternehmenskosten gedeckt werden. Wir müssen uns hier schließlich als eigene Angestellte unserer Agentur sehen und möchten selbstverständlich nicht schlechter dastehen als jemand in Festanstellung. Es kommen demnach noch ca. 30 % an Zusatzkosten für „Personal und Unternehmen“ hinzu. Diese liegen bei ca. 15.000 Euro für Kranken- und Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Berufshaftpflicht und Berufsrechtsschutz. Auch vermögenswirksame Leistungen sind ein Thema oder Zuschüsse, die auch Festangestellte erhalten. Dazu kommen noch Sonderausgaben für Lohnfortzahlung während des Urlaubs oder Fortbildung. Das ergibt dann auf das Jahr gerechnet weitere 5.000 Euro, die ebenfalls erwirtschaftet werden müssen.
Damit sind wir aber noch nicht am Ende der Rechnung, denn auch das Unternehmen selbst verursacht Kosten. Inventar, Arbeitsmaterial, Reisekosten, Fahrzeugkosten, Büromiete, Strom, Wasser, Telefon, Kosten für Eigenwerbung, Softwarelizenzen, Hardware, Reparaturkosten sowie das kalkulatorische Risiko ergeben bei einem kleinen Büro weitere Kosten von rund 35.000 Euro pro Jahr.
Fazit: Erst ein Stundensatz ab 100 Euro macht die Selbständigkeit überhaupt erst rentabel und wir arbeiten auf dem Boden unternehmerischer Tatsachen – und haben somit ein Einkommen, das einer Festanstellung entspricht. Jeder Unternehmer, der von Kalkulation Ahnung hat, sollte ebenfalls zu diesem Ergebnis kommen.
Etwas sollte dabei nie vergessen werden: Eine gute Zusammenarbeit beruht auf gegenseitiger Zufriedenheit. Preisdruck bis zur Schmerzgrenze führt generell zur Unzufriedenheit auf beiden Seiten.
Das Zitat des englischen Sozialreformers John Ruskin (1819-1900) spricht hier wahre Worte:
„Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles …“
Gute Werbung hat ihren Preis, ist aber dafür um ein Vielfaches erfolgreicher als Werbung, die mittels Preisdruck erstellt wurde.